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 ABOUT KARL WELUNSCHEK: 

Theaterregisseur, Bühnenbildner, Theaterintendant, Kurator und Autor.

Nach einer Lehre zum Buch-, Kunst- und Musikalienhändler wird Karl Welunschek schnell zum mehrfach ausgezeichneten Enfant terrible der Wiener Theaterszene. Er sticht mit Inszenierungen der absurden Literatur (Krapp’s Last Tape von Samuel Beckett im MuMok Wien, Der Frosch von Herbert Achternbusch am Ensemble Theater am Petersplatz), Volksstücken (Der tollste Tag von Peter Turrini am Theater der Courage, Unten durch von Heinz Rudolf Unger am Schauspielhaus Wien) und Nestroy-Inszenierungen (Der Talisman, 1988 Theater Der Kreis) hervor und gründete das Wiener Ensemble.

 

Im Ausland inszenierte der gebürtige Wiener vor allem am Schauspielhaus Frankfurt (Shakespeares Die lustigen Weiber von Windsor, Arthur Millers Tod eines Handlungsreisenden, Harold Pinters Alte Zeiten), am Nationaltheater Mannheim, am Schauspielhaus Hamburg, u. a. auch in der Staatsoper Ankara (Der Zigeunerbaron von Johann Strauss). Als Kurator der Wiener Festwochen lebte er in Israel, zeichnete für die Ersteröffnung der Antikenfestspiele Trier verantwortlich und war Oberspielleiter unter Sam Mendes am Donmar Warehouse in London.

1999 kehrte er zur Gründung des Rabenhof Stadttheaters nach Wien zurück, das er bis 2003 leitete. Nach über 80 Inszenierungen widmet er sich dem Kuratieren von Ausstellungen und lebt nun als Autor in Graz, Wien, Istanbul und Ho Chi Minh City.

Leben und Wirken im Kurzporträt

   Geboren am 26.5.1955 in Wien ist Karl Welunschek als Arbeiterkind in der bürgerlichen Josefstadt aufgewachsen. Seine Mutter, Josefa, bricht mit einer langen familiären Tradition südsteirischer Großbauern, um Karl Welunschek senior, einen slowenischen Partisan, in Wien zu ehelichen. Dieser verstirbt jedoch früh 1974. Im Alter von fünf Jahren verliert Karl Welunschek beim kindlichen Versuch, den Knoten seiner Schnürsenkel aufzuschneiden, ein Auge.

   Den Anfang seiner Hinwendung zur Kunst setzt Karl Welunschek mit einer Lehre zum Buch-, Kunst- und Musikalienverleger im Traditionsbetrieb Musikhaus Robitschek in der Wiener Innenstadt. In dieser Zeit beginnt Welunschek eine autodidaktische Auseinandersetzung mit „Murphy“ von Samuel Beckett. Die Lehre schließt er mit Auszeichnung ab und wendet sich anschließend mit siebzehn Jahren einer Ausbildung an der Schauspielschule Krauss zu. Karl Welunschek verfolgt nebenbei eine cineastische und literarische Leidenschaft und beginnt ein Studium der Alten Musik. Nach einem längeren Aufenthalt im Nahen Osten konzentriert sich Karl Welunschek auf seine Tätigkeit als Theaterfotograf, Bühnenbildner und Regisseur.

   Bereits seine zweite Inszenierung „Unten durch“ von Heinz Rudolf Unger am Schauspielhaus Wien wurde für das Fernsehen aufgezeichnet, ebenso die kommenden zwei Inszenierungen. Für die fünfte Produktion, „Krapp’s last tape“ von Samuel Beckett im Museum für Moderne Kunst mit Robert Hunger-Bühler, erhält Karl Welunschek mit 22 Jahren seine erste Kainz-Madaille, die damals höchste Theaterauszeichnung im deutschsprachigen Raum. Die Bearbeitung dieses Stücks bringt dem „jungen Theatergenie“ und „Wunderkind“ internationale Anerkennung und öffnet viele Türen in der Zusammenarbeit und im Diskurs mit Künstlern wie Oskar Werner, Peter Brook, Peter Zadek, Helmut Qualtinger, Pier Paolo Pasolini, Julien Green u. v. m. Im Wien der frühen 1980er ist es der Kreis von Joe Berger, Wolfgang Bauer, Oswald Wiener, H. C. Artmann, Bernt Burchhardt, Kurt Kalb oder Franz Ringel.

WIENER ENSEMBLE

   Als persönlichen Höhepunkt sieht Karl Welunschek die Gründung der freien Theatergruppe WIENER ENSEMBLE (1986-1996) gemeinsam mit Beatrice Frey, Andrea Braunsteiner und Michael Zerz. Das Wiener Ensemble steht für starkes Theater, das gleichermaßen schockiert und unterhält. 

Es verhaftet sich sehr erfolgreich, aber nicht ausschließlich, österreichischen Schriftstellerpotenzialen und zeichnet für maßgebende, zeitgemäße Inszenierungen verantwortlich und nationale wie internationale Gastspiele. Der Spielplan umfasst Stücke wie „Sauschlachten“ (Peter Turrini), „Heimatlos“ (Reinhard P. Gruber / Anton Prestele), „Change“ (Wolfgang Bauer), „Aus dem Leben Hödlmosers“ (Reinhard P. Gruber) und „Lumpazivagabundus“ (Johann Nepomuk Nestroy). Unter den Mitwirkenden des Wiener Ensembles finden sich viele junge Talente, welche den Fahrtwind als Sprungbrett nutzen. 

Die Herausbildung und Bedeutung der Freien Theaterszene im Wien der 1980er und frühen 1990er bezieht sich auf produktive Unruhe, die in die Strukturen der festgefahrenen etablierten und staatlich bzw. kommunal gelenkten Theaterbetriebe fahren soll, um gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Moderne auch in die nationale Theaterlandschaft zu bringen. Die Freie Theaterszene übernimmt dabei gegenüber den kulturpolitisch Verantwortlichen volles Risiko und muss professionelle Theaterabende gewährleisten, um nachträglich in die Gunst einer Förderung zu gelangen. Mit der kulturpolitischen Umwälzung der Nach-Kreisky-Ära geht auch der Verlust zahlreicher freier Theaterensembles einher. Das Wiener Ensemble beendet seine Tätigkeit 1996.

   Mit den zahlreichen Erfolgen und vor dem Hintergrund einer neuen Kulturpolitik – Kultur wird in Österreich zur Chefsache erklärt – setzt in Österreich eine Skandalisierung ein als enfant terrible und Nestbeschmutzer.

   In den 1990er Jahren wirkt Karl Welunschek vorwiegend als freier Regisseur in Deutschland, wo er unter anderem am Nationaltheater Mannheim, Schauspielhaus Frankfurt, in Hamburg und Düsseldorf inszeniert.

 

Mit Inszenierungen wie etwa „Liebesgeschichten und Heiratssachen“ im Theater Der Kreis 1992, „Der Färber und sein Zwillingsbruder“ mit dem Wiener Ensemble im Rabenhoftheater (Theater in der Josefstadt), „Der Talismann“ im Theater Der Kreis von 1988 oder etwa „Frühere Verhältnisse“ im Metropol Wien, „Zu ebener Erd und erster Stock“ 2001 im Rabenhof Stadttheater, legt Karl Welunschek ein Bekenntnis zur Bitterkeit der Komödien ab.  Diverse seiner Nestroy-Inszenierungen werden von Kritikern und Theaterhistorikern als richtungsweisend festgehalten. Peter Turrini: „Welunschek hat die schlampige, aberwitzige und manchmal auch blöde Dramaturgie der Nestroystücke offensichtlich gemacht. Doch gleichzeitig jagen die Figuren mit ihren sprachmächtigen bösen Sätzen die bestehende Welt in die Luft. Nichts hat vor diesen Wortwaffen Bestand, alles zerfällt und fällt. Dass am Ende doch noch alles gut ausgeht, ist schlechte Dramaturgie oder geniale Ironie.“ (Zitat aus „Wie soll man Nestroy heute spielen?“, 2001).

Bild von Johann Nestroy

Als Kurator der Wiener Festwochen für das Ressort Israel lebt Karl Welunschek ein Jahr in Jerusalem, um die Expertisen unter der Festwochen-Präsidentschaft von Dr. Rudolf Scholten, ehemaliger Minister für Kunst, durchzuführen und Programmvorschläge vorzubereiten.  
Die Spektrumerweiterung als Opernregisseur beginnt mit der Inszenierung von „Der Zigeunerbaron“ (Johann Strauß) für die Staatsoper Ankara. 


Welunschek kehrt erst 1999 auf Einladung nach Österreich zurück für eine Inszenierung der hoch besetzten Produktion „Der Zerrissene“ (Gottfried von Einem), eine Koproduktion der Staatsoper und Volksoper Wien.


Anfang 2000 beschert Welunschek dem Theater mit beschränkter Haftung und der Wiener Theaterszene eine sprichwörtliche „Volksvernichtung“ (von Werner Schwab), die an der Peripherie Wiens sechs Wochen ausverkauft läuft.

Rabenhof.THEATER

   Der Zustand der Wiener Theaterverhältnisse Ende der 1990er ist verheerend, mit dem Rücktritt Peymanns ist die letzte kritische Instanz gefallen. Unter dem Motto „Wien ist unglaublich geil“ eröffnet Karl Welunschek am 31. Dezember 2000 als künstlerischer Leiter das Rabenhof.THEATER in Wien Erdberg. Mit einer aggressiven Werbelinie zum Wiener Stadttheater ebnet Welunschek nicht die „Entsittlichung des Volkes“ (Der Standard vom 19. Mai 2001), sondern den Kultstatus des von Welunschek geprägten Trash-Theater.

 Mit „eruptiver Volkskunst“ eines Werner Schwab oder eines Wolfgang Bauer, vielen diskursiven Veranstaltungen, mit den „Skandalautoren“ Catherine Millet und Michel Houellebecq, gestaltet Welunschek einen auf Aktualität bedachten flexiblen Spielplan im Sinne des erweiterten Theaterbegriffs. Welunschek reizt diese Theaterbühne, die inmitten eines Gemeindebaus liegt, voll aus und schafft einen lebendigen Ort für „Neues Wiener Volkstheater“. Er installiert eine frei zugängliche Plattform des Diskurses und vermag junges Publikum wieder für die Unmittelbarkeit des Hier-und-Jetzt des Theaterbetriebes zu interessieren. 

   Die eindeutige und einzigartige Positionierung in der Hauptstadt Wien als kritisches zeitgemäßes Stadttheater ist gelungen. Neben mehreren ausgezeichneten Produktionen erhält Karl Welunschek eine Nominierung anlässlich des „Nestroy 2002 – dem 1. Wiener Theaterpreis“ zum „aktuellen, kritischen Theater im deutschsprachigen Raum“. Teil des Konzeptes ist die Entdeckung und Förderung junger RegisseurInnen wie Tina Lanik, Georg Staudacher, Barbara Neureiter. Welunschek setzt einmal mehr einen dramaturgischen Schwerpunkt auf österreichische Schriftsteller wie Werner Schwab, Wolfgang Bauer, Gustav Ernst und Franzobel, wobei zahlreiche Auftragswerke uraufgeführt werden.

Veranstaltungsreihen wie "Chmelar stiftet Frieden", "maschek.redt.drüber" oder die "Supernacht der Weihnachtsstras" nehmen zukünftige Fernsehformate vorweg. 
Auch das Geschehen hinter der Bühne spiegelt neben hoher Theatralität die Pathologie der österreichischen Seele wieder.

Doch wie die Mottogebung der 2. Saison 2002 mit „Nix zu verlieren“ die Kurzweiligkeit dieser Theaterrebellion anmuten lässt, wird die dritte Saison des Rabenhof.THEATERS unter dem Motto „Achtung: Rutschgefahr!“ beendet Karl Welunschek seine Intendanz zur Jahreshälfte 2003. So konträr die Reaktionen in Österreich auf diese Institution sind, geht die positive Medienpräsenz über die nationalen Grenzen hinaus.

KOLEKTIF LES NÈGRES

   Karl Welunschek widmet sich vermehrt der Forschung und Beschäftigung mit mittel- und südosteuropäischer Kunst und Verlängerung dieser Achse in den Nahen Osten entlang eines Spartenfahrplans Darstellende, Bildende Kunst, Architektur, Film, Literatur, E- und U-Musik, Cross Over. 


2005 gründet Karl Welunschek das erste austro-afrikanische Schauspielensemble Collective Les Nègres und inszeniert Jean Genets „Les Nègres“ dreisprachig in der Studiobühne der Grazer Oper. Die Produktion wird 2007 am Schauspielhaus Wien wieder aufgenommen.

Die Ausbildung und Förderung von MigrantInnen ist Karl Welunschek ein großes persönliches Anliegen. Nach einem halben Jahr Probenvorbereitung können dreizehn DarstellerInnen im März 2006 zum ersten Mal das positive Echo einer geballten Menge an vorwiegend weißem Publikum in der Studiobühne der Grazer Oper erleben. Es ist der Moment, in dem oft angefeindete Menschen ihre Würde zurückerlangen. 

   Die professionelle Arbeit der Laien zeichnet sich durch ihre starke Haltung aus. Welche Privatpersonen und Lebenserfahrungen sich hinter den SchauspielerInnen verbergen, soll im Rahmen einer Dokumentation anhand von Gesprächen mit den DarstellerInnen, die auf der Probe und in ihrem Alltag begleitet werden, in ihre unterschiedlichen Biografien, Motive und Geschichten Einblick gegeben werden in die identitätsverändernden Prozesse VOR – WÄHREND – und NACH dem Projekt. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

LIVING MUSEUM

   Karl Welunschek sucht nach neuen Inszenierungsräumen und konzentriert sich sowohl als Theoretiker als auch Ausstellungsmacher ab 2004 auf Museologie und Museumswesen. Für das neu strukturierte Stadtmuseum Graz leitet er die Abteilung Living Museum und ist darüber hinaus Kurator verschiedener Ausstellungen.

Bei der Konzeption von Ausstellungen legt Welunschek nicht nur eine hohe Aufmerksamkeit auf den Inhalt, sondern auch auf die individuelle Präsentation der Exponate zugunsten einer gesteigerten Wahrnehmbarkeit und didaktischen Vermittlung. 

   MEMORY XS etwa ist eine Ausstellung über den Literaten, Philosophen, Theatermacher Wolfgang Bauer, ohne ein einziges Blatt Papier in einer Glasvitrine auszustellen.

   Von 2005 bis 2007 wirkt Karl Welunschek als Kurator im Stadtmuseum Graz. Als Leiter der Abteilung Living Museum ist er zuständig für die Gesamtkonzeption dieses Museums, das sich in völliger Neustrukturierung und Neukonzipierung befindet. 
 

2007 gründet Karl Welunschek die WOLFGANG BAUER FOUNDATION und übernimmt die Funktion des President of the WOLFGANG BAUER FOUNDATION. Der Verein bezweckt die Förderung der internationalen Verbreitung des künstlerischen Werkes und des Andenkens an Wolfgang Bauer.

2009 wird Karl Welunschek eingeladen, für die Produktion "Am Wörthersee" (nach Thomas Koschat) die Produktionsleitung zu übernehmen und das Buch zu verfassen.

Neben Lesungen und Kuratatsarbeiten widmet sich Karl Welunschek wieder vermehrt Reisen durch den Balkan und nach Asien.

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Das Theater "theatert" alles ein, also muss man dem Theater ständig etwas in den Rachen schieben, was das Theater nicht verdauen kann. Zum Beispiel Texte, die vom Theater so, wie es ist, nicht gespielt werden können, und künstlerische Experimente, in denen ein Element das andere immer in Frage stellt, wo die Künste miteinander kämpfen, spielen, streiten und dabei ihren Eigensinn im Kampf um Anerkennung erweisen. Dadurch stellt THEATER dann auch die Wirklichkeit in Frage, das ist auch wohl die wichtigste politische Funktion des Theaters. 

Heiner Müller

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